Dieser Artikel ist eine Übersetzung des auf der Webseite der ROMAN GLASSMAKERS publizierten Artikels "Hellenistic and Roman Mosaic Glass".

Text & Abbildungen © Mark Taylor und David Hill
Übersetzung © 2009 Frank Wiesenberg

Quelle: http://www.romanglassmakers.co.uk/mosaics.htm

 

 


Abb.1 - Alexander der Große; Detail aus einem Mosaik in Pompeji

Hellenistisches und römisches Mosaikglas

Ein kurzer Blick auf die Geschichte:

Das Zeitalter des Hellenismus begann mit dem Tode Alexanders des Großen im Jahre 323 vor Christus mit der Aufteilung seines Reiches zwischen seinen Generalen in Makedonien und Griechenland (die Antigoniden-Dynastie), Syrien und Mesopotamien (die Seleukiden) und Ägypten (die Ptolemäer). Die Rivalitäten zwischen diesen Staaten wurden im zweiten und ersten Jahrhundert vor Christus von wachsender Ausdehung und steigendem Einfluß Roms überschattet.

Im Klima einer von griechischen Traditionen beeinflußten Kultur sah dieses Zeitalter die Ausdehnung des Fernhandels über den Mittelmeerraum hinaus, und viele Handwerke, wie auch die Glasfertigung, blühten auf.

Die ersten Zeichen eines hellenistischen Stils "gegossener" Glaswaren (1) tauchten in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts vor Christus mit der Canosa Gruppe (aus den Fundstätten in der Nähe von Canosa di Puglia nahe der Adriaküste in Südost-Italien) auf. Viele Stücke aus dieser Gruppe stammen aus der Magna Graecia Region in Süditalien oder Sizilien.

Mitte des zweiten Jahrhunderts vor Christus erweiterte sich dieser Stil um die neu entwickelten "gegossenen" Mosaik- (polychromen = vielfarbigen) und monochomen (= einfarbigen) Glasgefäße. Im östlichen Mittelmeerraum einschließlich den syrisch-zypriotischen und syrisch-palästinensischen Gegenden etablierten sich zu dieser Zeit Glasfertigungsstätten. Diese Expansion war das Fundament für das rapide Wachstum der Glasherstellung während der Frühzeit des römischen Reiches.

Nach der Schlacht von Actium im Jahre 31 vor Christus kamen die hellenistischen Staaten in die Obhut des römischen Reisches. Der später als Augustus bekannte Oktavian brachte Ägypten unter seine Kontrolle. Von dieser politischen Vereinigung profitierten Industrien wie die Glasfertigung, die aufblühte und sich rapide entwickelte. Die enorme Erweiterung des Handels und auch die schnelle Verbreitung der Glasmacher (ob freiwillig oder als versklavte Kriegsgefangene bleibt dahingestellt) und ihres Wissens vom östlichen Mittelmeerraum nach Italien und darüber hinaus förderte ebenfalls die Entwicklung dieser Industrie.

 

Vasa Murrina:

Mosaikglas dieser Perioden wird oft als das "Vasa Murrina" bezeichnet, was in antiken Schriften wie der Naturgeschichte von Plinius dem Älteren erwähnt wird. Allerdings scheinen diese Gefäße antike Imitationen von aus Flußspat geschnittenen Gefäßen zu sein, denn "murra" war vermutlich der antike Name für dieses Mineral, ein durchsichtiges oder opak-kristallines Material, was in rosafarbenen, violetten und prupurnen Färbungen auftritt. (2)


Abb.2 - Kleine Glasbüste des Ausgustus im Römisch-Germanischen Museum Köln


Abb.3 - Das Zusammenschmelzen und Absenken erfordert zwei Glasmacher

Techniken:

Die archäologisch nachweisbaren Daten dieser Zeit zeigen einen dramatischen Anstieg der Verwendung von Farben und Komplexität von Mustern, wobei die Verwendung starker, leuchtender Farben zur Dekoration einfacher und praktischer Gafäßformen gebräuchlich wird.

All dies wurde durch die Anwendung der einfachsten Handarbeits-Techniken erreicht, die während der hellenistischen Zeit entwickelt und verfeinert, dann aber während der frühen römischen Kaiserzeit ihren Entwicklungshöhepunkt erreichten.

Letztendlich hängt die Qualität der Glasgefäße vom Können und der Erfahrung des Glasmachers und der Kooperationsfähigkeit der Glasmacher untereinander ab. In vielen verschiedenen Bereichen war eine Spezialisierung erforderlich: Ofentechnik, Formherstellung, Glasherstellung, heiße sowie kalte Glasbearbeitung - und sicherlich war in einigen Bereichen eine Überlappung dieser Fähigkeiten vonnöten.

Zur Herstellung eines "gegossenen" Glasgefäßes wird eine Form (eine Gefäß-Iinnenform) benötigt, über die das Gefäß abgesenkt werden kann. Zur Formherstellung werden Töpferkenntnisse benötigt, wobei sich diese Technik möglicherweise direkt aus der Sandkern-Technik (3) entwickelte.

Für ein monochromes Glasgefäß wird eine runde Glasscheibe vorbereitet, indem eine Menge flüssiges Glas aus einem Hafengefäß oder Tiegel geschöpft oder gegossen und flach ausgestrichen wird. Für ein polychromes Gefäß wird mit einer Menge vorher vorbereiteter Glaselemente (Streifen, Scheibchen o.ä.) eine runde Fläche ausgelegt und daraus eine Glasscheibe zusammengschmolzen. (4) Hier kann, falls gewünscht, ein Netzstab als Randabschluß um die heiße Scheibe herumgelegt werden.

Die Scheibe wird dann über eine Form abgesenkt. (4) Falls benötigt kann ein zuvor geformter Fuß an der Gefäßbasis angesetzt werden, während das Gafäß noch auf der Form liegt.

Die oben beschreibene "heiße" Bearbeitungsphase ist eine aktive Phase der Glasbearbeitung, während der die ständige Aufmerksamkeit mindestens zweier Glasmacher gefordert ist. Die Scheibe muß meist mit einfachen Mitteln in ihre Form gezwungen werden, was kein Form-Gußprozeß ist, wie oft behauptet.

Nach dem Ankühl- und Entspannungsprozeß müssen beide Seiten des Gefäßes geschliffen und poliert werden um Werkzeugspuren und durch den Formprozeß anhaftende Tonpartikel zu entfernen.

Unsere Kategorisierungen entsprechen denen, die Grose in seinem umfassenden Katalog antiker Gläser im Toledo Museum of Art verwendet. (5)

Wir verwenden ein Sodaglas unserer eigenen Herstellung. Es basiert auf dem hellenistischen Glas und dem Glas der frühen römischen Kaiserzeit, beziehungsweise kommt diesem extrem nahe. Die von uns verwendeten Herstellungsmethoden und die von uns erreichte Oberflächengüte (die oft höher als die vieler Originalgefäße ist) sind das Resultat unserer Forschungen, Experimente und harter Arbeit. Wir glauben, daß die von uns verwendeten Techniken (unter Berücksichtigung der Verwendung moderner Materialien und Werkzeuge) nicht weit von denen der antiken Glasmacher entfernt sind und daß es wie bei allen Handwerken keinerlei Ersatz für Können und Erfahrung gibt. Details dieser Herstellungstechniken sind in den Newslettern weiter ausgeführt. (6)

Die in unseren Zeichungen abgegebenen Gefäß-Maße entsprechen den Abmessungen der von uns gefertigten Gefäße, die typische Maße innerhalb der Gefäßgruppen antiker Originale repräsentieren. Die Farben und Abschnitte der Mosaik-Glasstäbe basieren direkt auf denen der antiken Gläser, aber wir fertigen nicht absolut exakte Kopien der Mosaikgläser. Jedes unserer Stücke ist einzigartig und ein typischer Repräsentant seines Gefäßtypus.

 


Mark Taylor & David Hill


(1)

Der Terminus "gegossenes" Glas wird hier zur Bezeichnung der vor Erfindung (oder Entwicklung) der Glasbläserpfeife gefertigten Gefäße verwendet. Diese Bezeichnung ist zwar irrfeührend, wie an anderer Stelle dieser Webseite erläutert, da die meisten frühen offenen Glasgefäße mit Absenken, Formen und Schleifen gefertigt werden anstatt geschmolzenes Glas in eine ein- oder mehrteilige Form zu gießen oder Glas in einer Form zu arrangieren.

(2)Siehe Loewental, A.I. und Harden, D.B. (1949) 'Vasa Murrina' im Journal of Roman Studies XXXIX Seiten 31-37 und Tafeln V - VII
(3)Siehe Newsletter 7 über Sandkerngefäße
(4)Siehe Newsletter 6 über Schmelzen und Absenken
(5)Siehe Grose, D.F. (1989) 'Early Ancient Glass' New York: Hudson Hills Press (ISBN 0-933920-92-X)
(6)Siehe Newsletter 1-7

 


Weitere Artikel:Einleitung zu den Rippenschalen

"Second Gather 2003 Exhibition": Eine Ausstellung, die auch die auf antiken Gefäßen als Verzierung vertikal eingekniffenen Rippen thematisiert

 

Mosaikglas und Rippenschalen: Das Original unseres Artikels wurde in "Current Archaeology 186" (Juni/Juli 2003) publiziert.

 

Rippenschalen und ihre Herstellung: Das ist unsere Poster-Präsentation, die wir für den "AIHV 2003 Congress in London" (September 2003) zusammenstellten.

  Rippenschalen und ihre Herstellung: Dieser Artikel wird im "British Museum Catalogue of Glass in the Department of Greek and Roman Studies" erscheinen.
 

Frank Wiesenberg, Zur Herstellung römischer Rippenschalen. Resultate aus dem Borg Furnace Project 2015. In: Gunter Schöbel (Hrsg.), Experimentelle Archäologie in Europa 16 - Jahrbuch 2017 (Unteruhldingen 2017) 104-115.
Download des Artikels auf ARCHAEOglas.de

 

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