Experimentelle Archäologie: Rekonstruierte römische Glasöfen im Einsatz

- das "Velzeke Furnace Project" 2011 -

 

Anläßlich des "Open Monumentendag", welcher am Samstag wieder unter dem Thema "Velzeke Viert Vuur" stand, wurde im Provinciaal Archeologisch Museum Velzeke (PAM, Belgien) wieder der nach römischem Vorbild rekonstruierte Glasofen vom 6. bis zum 12. September 2011 in Betrieb genommen.

Am Projekt arbeiteten als Glasbläser Mark Taylor (assistiert von David Hill, ROMAN GLASSMAKERS, GB), François Arnaud (Atelier PiVerre, F) und auch wieder William Gudenrath vom Corning Museum of Glass (USA). Das Ofen-Team bestand neben den vom Museum gestellten Heizern, koordiniert von Peter van der Plaetsen, aus Frank Wiesenberg (D), Anna-Barbara Follmann-Schulz (D), Bettina Birkenhagen (D), Constanze Loesch (D) sowie François Arnauds Lebensgefährtin Caroline und Familie Teske (D).

Der Betrieb des Glasofens am PAM in Velzeke startete am Diestang, den 6. September 2011 mit dem Ausrichten der Glashäfen, was sich aufgrund der Schäden an der Ofenbank von Jahr zu Jahr schwieriger gestaltet. Dieses Jahr kamen Glashäfen aus einer anderen Quelle zum Einsatz, die deutlich dünnwandiger als die vorigen Exemplare ausfielen. Sicherheitshalber wurden auch zwei Häfen alteren Datums in den Glasofen verbracht. Bedenken bezüglich der Dünnwandigkeit der neuen Häfen sollten sich im Laufe des Projektes als unbegründet erweisen. Es wurden nach altem Muster 6 Häfen positioniert, wobei wieder nur 5 genutzt wurden. Da die Häfen nicht nur dünnwandiger, sondern auch kleiner als zuvor waren, entfiel der lästige Weg durch die Schüröffnung, da alle Häfen durch die größte Arbeitsöffnung paßten.

Der Glasofen und der alte Kühlofen waren dieses Mal vom Museumspersonal (Katrien und Ilja) bestens präpariert bzw. restauriert, so daß das sonst übliche Ausbessern der durch das undichte Holzdach an den Öfen verursachten Wasserschäden ausblieb.

Sehr kurzfristig (am Montagabend!) ist erst der neue Kühlofen fertig geworden. Aufgrund der Probleme mit beschlagenen Gläsern (siehe VFP2010: Betrieb des Kühlofens) wurde von den ROMAN GLASSMAKERS Mark Taylor & David Hill und Frank Wiesenberg ein komplett anderer Kühlofentypus entworfen, der durch seine vom Feuerraum abgekapselte Gefäßkammer vom Vorgänger unterscheidet. Mehr zu diesem Thema auf der Seite VFP2011: Betrieb des Kühlofens.

Aus Termingründen entfiel das montägliche Anheizen des Glasofens: Ab Dienstagmittag erfuhr der Glasofen erstmals einen "Kaltstart". Die Temperatur von 1000°C zum Einbringen des Glases wurde trotzdem gemütlich bis zum Eintreffen der ROMAN GLASSMAKERS am Mittwochmittag erreicht. Parallel zum langsamen Aufheizen des Glasofens wurde auch der zuvor mit einem elektrischen Heizlüfter leicht angetrocknete neue Kühlofen zunächst mit einem kleinen Feuer auf Minimaltemperatur und am Mittwoch erstmals auf Betriebstemperatur von knapp über 500°C gebracht. Die Rißneigung des Glasofens scheint über die verschiedenen Betriebsphasen hinweg eher abzunehmen, so daß strukturelle Reparaturen an der Ofenaußenseite gar nicht notwendig waren und auch die kosmetischen Korrekturen sich im Rahmen hielten.

Wie im Vorjahr wurde auf die Temperaturmessung in der Glasofenfeuerkammer verzichtet, da sich die Messung der Temperatur im Bereich der Glashäfen als ausreichend erwiesen hat. Daten wurden hier nicht genommen, ebenfalls wurden keine Holz-Verbrauchswerte für das Projekt ermittelt. Temperaturdaten wurden hingegen für eine Betriebsphase (Anheizen, Entspannungsphase bei mind. 500°C und Abkühlphase) des neuen Kühlofens ermittelt. Wie in den Vorjahren wurden auch dieses Mal wieder Aschenproben zu Analysezwecken gesammelt.

Aber jetzt zunächst zum weiteren Projektverlauf:

Am späten Mittwochvormittag war die Anheizphase des Arbeitsofens abgeschlossen und 1000°C lagen in Höhe der noch leeren Glashäfen an. Sowohl Ofen als auch die Häfen hatten die Anheizphase gut überstanden, so daß Mark Taylor am Mittwochnachmittag das Glas einfüllen konnte.

Während des Mittwochs fand ein leerer Testlauf des neuen Kühlofens statt, bei dem sich einige Eigenschaften des Ofens zeigten, die in den nächsten Tagen noch für ein wenig Kopfzerbrechen sorgen sollten: Ungleiche Wärmeverteilung durch die Länge des Ofens und die Kühlung der vorderen Ecke zum Einen durch Frischlufteintrag durch die Schüröffnung und zum Anderen die Kühlung der Außenseite durch Wind. Trotzdem waren gute 550°C Oberflächentemperatur im Bereich des Gefäßkammerbodens erreichbar. Leider erwiesen sich die Einbaulagen der zwei Bohrungen für Thermosesoren als suboptimal bzw. überhaupt nicht nutzbar, weswegen öfter als geplant ein Laser-Pyrometer zur Messung der Ofenflächentemperatur des Gefäßkammerbodens zum Einsatz kam.

Am Donnerstagmorgen wurde mit dem Glasblasen begonnen; erstmals stand der neue Kühlofen wohltemperiert parat um die heißen Gefäße aufzunehmen. Die Arbeitstemperatur des Glasofens lag zwischen 1050°C und 1080°C, die des Kühlofens um 500°C (siehe hierzu auch die Seite Betrieb des Kühlofens). Gegen Donnerstagnachmittag komplettierte William Gudenrath dann das internationale Glasbläserteam, nachdem am Mittwochnachmittag auch François Arnaud und Lebensgefährtin Caroline hinzukamen.


Die Glashäfen stehen auf einem suboptimalen Unterbau.


Aufheizplan des Glasofens.


Aufheizphase des Glasofens.


Nachtschicht.


Arbeit am Glasaofen: François Arnaud und Mark Taylor


Alle drei Glasbläser arbeiten an einem Projekt: Den "Dragon stem goblet"


Erste Ergebnisse.


Bettina möchte die gerade aus dem Kühlofen genommenen Gläser am Liebsten gar nicht mehr hergeben...


Auch ein Projekt des VFP2011: Mehrkammerflaschen

Der Freitag war vergleichsweise ruhig und unspektakulär: An den Öfen stellte sich ein gewisser Arbeitsrhythmus ein, der angenehm von der Ankunft der weiteren Unterstützungskräfte (des hochkarätig besetzten "Ofenpersonals") unterbrochen wurde.

Das Spektrum der am Ofen gefertigten Gefäße war wieder vielfältig: Natürlich fanden viele römische, aber auch wieder ein paar venezianische und syrische Gefäße den Weg in den Kühlofen. Im Vergleich zum Vorjahr nahm aber die Anzahl der nicht-römischen Gefäße erstaunlicherweise ab. Gerade François Arnaud demonstrierte mit mehreren Kannen mit Vogelfeder-Dekor, daß er sich offensichtlich gut vorbereitet hatte...

Ein weiteres römisches Highlight waren die grotesken Kopfflaschen, deren von David Hill erstellte Form in Velzeke Premiere feiern durfte.

Themen des fast schon traditionellen Wettbewerbs zwischen den drei Glasbläsern waren hier gläserne Öllampen und Fläschchen in Form eines liegenden Fasses, deren Herstellungsweisen die Spezialisten ganz schön ins Grübeln brachten.

Der Samstagabend brachte dann das Glasofenpersonal und die Glasbläser wieder an ihre Belastungsgrenze, da wegen des Feuerfestivals bis 22:00 Uhr vor Publikum gearbeitet werden sollte - und natürlich wollte keiner der Glasbläser die Zeit bis zum eigentlichen Programmstart um 18:00 ungenutzt verstreichen lassen, so daß es für Alle ein sehr langer Tag wurde. Hier bewährte es sich, daß der alte Kühlofen erhalten blieb, denn so konnte der neue Kühlofen gegen 19:30 langsam herunterkühlen, während der alte Kühlofen zuvor aufgeheizt wurde und gegen 18:30 schon zur Aufnahme von Gefäßen bereit stand und dann bis zum Ende des Arbeitstages genutzt werden konnte. Der neue Kühlofen stand so bereits wieder am folgenden Vormittag zur Verfügung, während der alte Kühlofen noch am Abkühlen war. Dieser zeitverzögerte Parallelbetrieb beider Kühlöfen reduzierte den Streß des "Kühlofenbeauftragten" gewaltig!

Ein internes Highlight war noch das nötige Neupositionieren eines seitlich weggekippten Glashafens - bei einer Temperatur von über 1000°C kein einfaches Unterfangen, quer durch den Ofen hindurch den Hafen zu drehen und die Ofensteine darunter neu zu positionieren, so daß er wieder gerade und sicher stand. Glücklicherweise war dies ohne Hafenbruch oder Wegkippen des Hafens in den Feuerraum möglich. Das Feierabend-Bier danach war wohlverdient!

Der Sonntag lief - angesichts des langen Samstagabends verständlich - etwas schleppend an und war trotz der Living-History-Darstellungen rund um das PAM deutlich ruhiger als der Vortag, aber trotzdem konnten einige schöne Glasgefäße in den neuen Kühlofen wandern.

Zwischendurch boten sich immer wieder Gelegenheiten, kurze Einführungskurse ins Thema Glasbearbeitung zu geben, in deren Genuß Constanze Loesch und Bettina Birkenhagen kamen. (Und auch ich selber fand zwischendurch mehrfach Gelegenheit, mich nicht nur an der Schüröffnung, sondern auch an einer Arbeitsöffnung des Glasofens auszuprobieren ... mein erster Aryballos ...!)

Abgesehen vom Betrieb des neuen Kühlofens barg das VFP2011 eigentlich wenig Überraschungen und war wieder Dank des Einsatzes aller Beteiligten vor, am und "im" Ofen und des PAM ein voller Erfolg. Die Qualität der Glasgefäße konnte insbesondere durch den neuen Kühlofen nochmals deutlich gesteigert werden. Hier werden weitere Verbesserungen schwer!

Wie schon im letzten Bericht angedeutet, sollte die Holzeindeckung des Schutzbau-Dachs geflickt und um den neuen Kühlofen die Wand des Schutzbaues abgedichtet werden um überflüssigen (Wasser-) Schaden von den Öfen abzuhalten, denn trotz der tiefen Risse im Inneren ist der Arbeitsofen noch im guten und betriebssicheren Zustand, so daß - ein wenig Kosmetik vorausgesetzt - er zukünftig noch für weitere Projekte zur Verfügung stehen kann. Eine strukturelle Verbesserung könnte aber eine Auskleidung und Erhöhung der inneren Ofenbank des Glasofens sein, denn dies würde ein Wegkippen eines Hafens von seinem "Ausgleichstürmchen" - wie hier geschehen - unmöglich machen. Platz genug wäre auf der angesenkten Ofenbank da.

Hinter vorgehaltener Hand war zu erfahren, daß wir uns das zweite Septemberwochenende des Jahres 2012 schon einmal freihalten sollen! Es wäre toll, wenn sich alle Beteiligten dann wieder in Velzeke am Glasofen versammeln könnten!


Die Gefäßqualität hat sich deutlich verbessert.


Asche- bzw. Probenplatz.

Wie auch die Jahre zuvor, so möchte ich mich an dieser Stelle wieder bei Manuela Arz für die vielen Fotos und Unterstützung vor Ort bedanken!


 

Die Dokumentation des "Velzeke Furnace Projects 2011" ist wie folgt gegliedert:

 

 

Zur vereinfachten Navigation kann die gesamte Dokumentation mit den
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